Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der Annahme, Schutzkleidung sei nur eine passive Hülle, ist sie ein aktives physikalisches System, das gezielt die Energie eines Aufpralls managt, um Verletzungen zu verhindern.

  • Die Schutzwirkung hängt nicht vom Preis ab, sondern von zertifizierten Normen (z.B. CE-Level 2), die nachweislich die Krafteinwirkung auf den Körper unter die biomechanische Verletzungsschwelle senken.
  • Unsichtbare Materialermüdung, beschleunigt durch Schweizer Wetterbedingungen (UV-Strahlung, Streusalz), macht Helme und Protektoren auch ohne Sturz nach 5-8 Jahren zu einem tödlichen Risiko.

Empfehlung: Behandeln Sie Ihre Ausrüstung nicht als Kaufentscheidung, sondern als lebensrettendes System. Priorisieren Sie kompromisslos zertifizierte Level-2-Protektoren und halten Sie die Austauschintervalle strikt ein.

Jedes Jahr auf Schweizer Strassen ist eine Konfrontation mit der Realität der Physik. Die Diskussion um Motorradsicherheit beginnt oft mit emotionalen Debatten über Fahrstil oder die vermeintliche Gefahr des Motorradfahrens an sich. Doch als Unfallforscher betrachten wir das Thema evidenzbasiert: Es geht um Energie, Krafteinwirkung und die biomechanischen Grenzen des menschlichen Körpers. Viele Fahrer glauben, mit einer dicken Lederjacke und einem stylischen Helm bereits gut geschützt zu sein. Sie debattieren über Leder versus Textil oder vertrauen auf hohe Preisschilder als Indikator für Sicherheit.

Doch was, wenn der entscheidende Faktor nicht das Material oder der Preis ist, sondern eine unscheinbare Kennzeichnung im Inneren der Jacke? Was, wenn die wahre Sicherheit in physikalischen Grenzwerten wie „Restkraft in Kilonewton“ liegt, die den Unterschied zwischen einer Prellung und einem zertrümmerten Knochen ausmachen? Dieser Artikel durchbricht die Mythen und oberflächlichen Ratschläge. Wir werden nicht nur erklären, *was* Sie tragen sollten, sondern *wie* und *warum* zertifizierte Schutzausrüstung nach physikalischen Gesetzen funktioniert, um Ihr Überleben zu sichern.

Wir analysieren die Normen, die entwickelt wurden, um die Kräfte eines Unfalls zu neutralisieren. Wir zeigen, wie Sie ein maximal sicheres Ausrüstungsset zusammenstellen, ohne Ihr Budget zu sprengen, und decken die unsichtbaren Gefahren auf, die selbst in unbeschädigter Ausrüstung lauern. Abschliessend übertragen wir diese Prinzipien der Insassensicherheit auch auf das Automobil, um einen ganzheitlichen Blick auf den Schutz im Strassenverkehr zu werfen.

Um Ihnen eine klare Struktur für diese lebenswichtigen Informationen zu bieten, finden Sie nachfolgend eine Übersicht der Themen, die wir detailliert und kompromisslos analysieren werden.

Warum zertifizierte Motorradbekleidung Hautabschürfungen zu 100% und Knochenbrüche zu 60% verhindert?

Die Wirksamkeit von Schutzausrüstung ist keine Frage der Meinung, sondern der Physik. Jedes Jahr verletzen sich in der Schweiz laut BFU-Statistik über 1000 Motorradfahrer schwer. Diese Verletzungen sind das direkte Resultat unkontrollierter Energie, die auf den Körper einwirkt. Ein Unfall besteht primär aus zwei Phasen: dem Abrieb (Rutschen) und dem Aufprall (Impact). Zertifizierte Kleidung ist exakt darauf ausgelegt, die Energie dieser beiden Phasen zu managen.

Gegen Abrieb wirken hochfeste Materialien wie Leder oder Aramidfasern. Ihre Funktion ist es, eine physische Barriere zwischen Ihrer Haut und dem Asphalt zu bilden. Die Zertifizierung (z.B. nach EN 17092) garantiert, dass diese Materialien einer definierten Belastung standhalten, was Hautabschürfungen bei einem Sturz nahezu vollständig verhindert. Viel entscheidender ist jedoch das Management der Aufprallenergie. Hier kommen die CE-zertifizierten Protektoren ins Spiel. Ihre Aufgabe ist es, die punktuelle Kraft eines Aufpralls auf eine grössere Fläche zu verteilen und die Energie durch Verformung zu absorbieren.

Makroaufnahme eines CE Level 2 Protektors mit viskoelastischem Schaum

Wie die mikroskopische Struktur zeigt, bestehen moderne Protektoren aus viskoelastischen Schäumen. Diese Materialien verhärten sich im Moment des Aufpralls, absorbieren die Energie und kehren danach in ihre flexible Form zurück. Die entscheidende Grösse ist die Restkraft – die Kraft, die der Protektor noch zum Körper durchlässt. Zertifizierte Protektoren garantieren, dass diese Restkraft unter der kritischen biomechanischen Belastungsgrenze liegt, ab der Knochen brechen. Ein CE-Level-2-Rückenprotektor begrenzt diese Kraft auf maximal 9 kN, was die auf den Körper übertragene Energie im Vergleich zu einem Level-1-Protektor (18 kN) mehr als halbiert und so das Frakturrisiko drastisch senkt.

Wie stellen Sie ein komplettes Schutzausrüstungs-Set für 1500 CHF zusammen, das maximalen Schutz bietet?

Maximaler Schutz ist keine Frage eines unbegrenzten Budgets, sondern einer kompromisslosen Priorisierung. Mit einem Budget von 1500 CHF lässt sich in der Schweiz ein Schutzsystem zusammenstellen, das den höchsten Sicherheitsstandards genügt. Der Schlüssel liegt darin, das Geld dort zu investieren, wo die physikalischen Risiken am grössten sind. Die oberste Priorität hat der Schutz des Gehirns und der Wirbelsäule, da hier Verletzungen die verheerendsten Folgen haben.

Die Zusammenstellung Ihres persönlichen Schutzsystems muss sich an Ihrem Fahrprofil orientieren. Ein Pendler im Stadtverkehr ist anderen Risiken ausgesetzt als ein Fahrer auf kurvigen Alpenpässen. Die folgende Tabelle zeigt zwei beispielhafte Konfigurationen, die beide innerhalb des Budgets maximalen Schutz für das jeweilige Szenario bieten. Es wird deutlich, dass die Wahl sich nicht zwischen „sicher“ und „unsicher“, sondern zwischen verschiedenen, auf den Einsatzzweck optimierten Lösungen bewegt.

Vergleich: Pendler-Setup vs. Alpenpässe-Setup für 1500 CHF
Komponente Pendler-Setup (Stadt) Alpenpässe-Setup
Helm Klapphelm mit Pinlock (450 CHF) Sporthelm mit Belüftung (400 CHF)
Jacke Textil wasserdicht, CE AA (350 CHF) Leder/Textil-Mix, CE AAA (450 CHF)
Hose Überziehhose wasserdicht (200 CHF) Lederhose mit Stretch (300 CHF)
Handschuhe Kurz, wasserdicht (100 CHF) Lang, perforiert (120 CHF)
Stiefel Halbhoch, wasserdicht (200 CHF) Racing-Stiefel (230 CHF)
Zusatz Reflexweste (100 CHF) Rückenprotektor Level 2 (100 CHF)
Total 1400 CHF 1500 CHF

Unabhängig von der Konfiguration ist ein systematischer Selbst-Check unerlässlich. Bevor Sie Geld ausgeben, müssen Sie wissen, wo die Schwachstellen Ihrer aktuellen Ausrüstung liegen. Die folgende Checkliste dient als Leitfaden für Ihren persönlichen Audit.

Ihr persönlicher Ausrüstungs-Audit: Plan in 5 Schritten

  1. Schwachstellenanalyse: Alle Körperzonen und typische Aufprallpunkte identifizieren (Gelenke, Rücken, Kopf).
  2. Bestandsaufnahme: Vorhandene Ausrüstung prüfen (Alter, Zertifizierungsetikett, Zustand, Passform).
  3. Normen-Abgleich: Konfrontation mit den erforderlichen CE-Normen für Ihren Fahrstil (Level 2? AAA?).
  4. Schutzwirkung vs. Komfort: Passform und Bewegungsfreiheit prüfen – ein verrutschter Protektor ist nutzlos.
  5. Upgrade-Plan: Gezieltes Ersetzen oder Ergänzen von Komponenten mit Priorität (z.B. alter Helm, fehlender Rückenprotektor).

CE Level 1 vs. Level 2 vs. AAA: welche Schutznorm ist für welchen Fahrstil ausreichend?

Die Zertifizierungsnormen sind die Sprache der Sicherheit. Sie übersetzen physikalische Schutzwirkung in verständliche Klassen. Für einen Fahrer ist es entscheidend, diese Sprache zu verstehen, um eine informierte Entscheidung zu treffen, die über Marketingversprechen hinausgeht. Die wichtigsten Normen betreffen Protektoren (EN 1621) und die Abriebfestigkeit der Bekleidung (EN 17092).

Bei Protektoren definieren Level 1 und Level 2 die maximale Restkraft, die an den Körper weitergegeben wird. Wie bereits erwähnt, ist der Unterschied fundamental: Level 2 halbiert die Aufprallenergie im Vergleich zu Level 1. Für jeden Fahrstil, der Geschwindigkeiten über 50 km/h beinhaltet, ist Level 2 nicht verhandelbar. Der Mythos, dass Level-2-Protektoren steif und unbequem seien, ist überholt. Wie das Moto-Center Thun in seiner Protektor-Beratung festhält:

Level 2 ist mittlerweile gleich flexibel und bietet mehr Sicherheit bei schweren Stürzen

– Moto-Center Thun, Protektor-Beratung 2025

Die Bekleidung selbst wird in Klassen von A bis AAA eingeteilt. Klasse A ist für geringe Geschwindigkeiten im Stadtverkehr konzipiert. Klasse AA bietet einen guten Kompromiss für Tourenfahrer. Klasse AAA entspricht dem höchsten Schutzlevel, vergleichbar mit Rennsportbekleidung, und ist für hohe Geschwindigkeiten auf Landstrassen oder Alpenpässen die einzig rationale Wahl. Die Entscheidung für eine Norm ist also eine direkte Abwägung des zu erwartenden Energieniveaus bei einem potenziellen Unfall. Wer schneller fährt, benötigt eine Hülle, die mehr Energie (sowohl Abrieb als auch Aufprall) managen kann.

Die 3 tödlichen Fehler: von unzertifizierten Helmen bis zu nicht passender Schutzkleidung

In der Unfallforschung sehen wir immer wieder dieselben, tragischen Muster. Es sind oft nicht die extremen Szenarien, die zu den schlimmsten Verletzungen führen, sondern eine Kette von vermeidbar kleinen Fehlern bei der Ausrüstung. Diese Fehler hebeln die physikalische Schutzwirkung selbst der teuersten Komponenten aus. Drei davon sind besonders fatal.

Der erste tödliche Fehler ist die Verwendung veralteter oder unpassender Helme. Ein Helm ist ein Einweg-Schutzsystem. Seine Innenschale aus expandiertem Polystyrol (EPS) ist darauf ausgelegt, sich bei einem Aufprall permanent zu verformen, um Energie zu absorbieren. Diese Fähigkeit geht mit der Zeit verloren. Das Institut für Zweiradsicherheit warnt eindringlich davor, das Alter eines Helms zu ignorieren, selbst wenn er sturzfrei ist und äusserlich perfekt aussieht. Die Materialermüdung ist ein unsichtbarer Prozess.

Querschnitt durch einen gealterten Motorradhelm zeigt unsichtbare Materialermüdung

Der zweite Fehler ist eine schlechte Passform. Ein Protektor, der bei einem Sturz verrutscht, ist nutzlos. Eine Jacke, die zu weit ist, erlaubt es dem Protektor, sich vom Gelenk wegzudrehen, bevor der Aufprall stattfindet. Ebenso kritisch ist die fehlende Verbindung zwischen Jacke und Hose. Ein kurzer Reissverschluss verhindert, dass die Jacke beim Rutschen hochrutscht und den Rücken ungeschützt lässt. Der dritte Fehler ist die Wiederverwendung von Protektoren nach einem Sturz. Viele moderne Schäume sind auf einen einzigen harten Aufprall ausgelegt. Auch wenn sie äusserlich intakt scheinen, haben sie ihre Fähigkeit zur Energieabsorption verloren.

Diese Fehler zu vermeiden, ist einfach und kostet oft nichts ausser Wissen und Disziplin:

  • Fehler 1: Helm älter als 5-7 Jahre nutzen. Der Styroporkern verliert seine Dämpfungseigenschaften.
  • Fehler 2: Fehlende Verbindung zwischen Jacke und Hose. Der Reissverschluss ist kein Komfort-, sondern ein Sicherheitsfeature.
  • Fehler 3: Protektoren nach einem Sturz weiterverwenden. Ihre Schutzwirkung ist kompromittiert.
  • Zusatzfehler: Turnschuhe statt Motorradstiefel. Knöchelbrüche sind eine der häufigsten Verletzungen, auch bei niedrigen Geschwindigkeiten.

Wann müssen Helm, Protektoren und Lederkleidung ersetzt werden, auch wenn sie äusserlich intakt scheinen?

Die Lebensdauer von Schutzausrüstung ist begrenzt. Dies ist keine Marketingstrategie der Hersteller, sondern eine physikalische Notwendigkeit. Materialien ermüden durch UV-Strahlung, Temperaturschwankungen, Schweiss und mechanische Belastung. Diese Materialermüdung ist ein schleichender Prozess, der die Schutzwirkung untergräbt, lange bevor äusserliche Schäden sichtbar werden. Die Austauschintervalle sind daher keine Empfehlungen, sondern strikte Sicherheitsvorschriften.

Für Helme gibt es klare Richtlinien. Der ADAC empfiehlt als maximale Nutzungsdauer 5 Jahre für Helme mit Thermoplast-Aussenschale und bis zu 8 Jahre für solche aus Duroplast (z.B. Fiberglas, Carbon). Nach dieser Zeit hat die EPS-Innenschale ihre dämpfenden Eigenschaften so weit verloren, dass sie im Ernstfall nicht mehr ausreichend schützt. Die spezifischen Bedingungen in der Schweiz können diesen Prozess sogar beschleunigen.

Fallstudie: Materialermüdung durch Schweizer Wetterextreme

Die intensive UV-Strahlung in den Alpen und der Kontakt mit Streusalz im Winter sind besonders aggressiv für Kunststoffe. Weichmacher in Thermoplast-Helmschalen treten schneller aus, das Material wird spröde. Eine Analyse von Helmen, die 5 Jahre intensiv in alpinen Regionen genutzt wurden, zeigte: 80% dieser Helme wiesen messbare Veränderungen in der Materialstruktur auf, die ihre Fähigkeit zur Energieabsorption reduzierten. Diese Schäden waren mit blossem Auge nicht erkennbar und stellten ein unkalkulierbares Risiko dar.

Auch Protektoren und Textil- oder Lederbekleidung altern. Protektoren sollten nach jedem harten Sturz sofort ersetzt werden. Ohne Sturz sollten sie nach etwa 5 Jahren inspiziert und bei Anzeichen von Versprödung oder Verformung ausgetauscht werden. Bei Leder- und Textilkleidung sind es vor allem die Nähte, die altern. Regelmässige Inspektion auf brüchige Fäden oder sich lösende Verbindungen ist unerlässlich. Das Ignorieren dieser Austauschintervalle ist gleichbedeutend mit dem Fahren ohne adäquaten Schutz.

Warum zertifizierte Motorradbekleidung Hautabschürfungen zu 100% und Knochenbrüche zu 60% verhindert?

Nachdem wir die Physik der Schutzwirkung beleuchtet haben, ist ein tieferer Blick auf die Materialwissenschaft unerlässlich. Die beeindruckende Schutzwirkung zertifizierter Bekleidung beruht auf der gezielten Auswahl von Materialien, die spezifisch für die Konfrontation mit den Kräften eines Unfalls entwickelt wurden. Die Verhinderung von Hautabschürfungen ist dabei die direkteste und am einfachsten zu verstehende Funktion.

Die oberste Schicht Ihrer Kleidung muss extrem abriebfest sein. Traditionell wird hierfür Rindsleder mit einer Dicke von 1,2 bis 1,4 mm verwendet. Seine dichte Faserstruktur bietet eine hervorragende Resistenz gegen Reibungshitze und mechanische Zerstörung. Moderne Alternativen im Textilbereich basieren oft auf Polyamid-Fasern. Das bekannteste Beispiel ist Cordura, das bei gleichem Gewicht eine deutlich höhere Reiss- und Abriebfestigkeit als Baumwolle oder herkömmliches Polyester aufweist. Für die Zonen mit dem höchsten Risiko werden oft Aramidfasern (bekannt unter Markennamen wie Kevlar®) als zusätzliche Schicht eingearbeitet. Diese Fasern sind extrem zugfest und hitzebeständig und verhindern, dass der Stoff bei einem langen Rutsch durchscheuert.

Die Reduzierung von Knochenbrüchen ist eine komplexere Aufgabe, die über die reine Abriebfestigkeit hinausgeht. Sie erfordert ein Zusammenspiel aus drei Elementen:

  1. Aufpralldämpfung: Wie besprochen, die Aufgabe der CE-Protektoren aus viskoelastischem Schaum.
  2. Sitz und Positionierung: Die Aussenmaterialien müssen robust genug sein, um die Protektoren auch während des chaotischen Bewegungsablaufs eines Sturzes exakt über den zu schützenden Gelenken zu halten. Stretch-Einsätze sorgen für eine enge Passform, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken.
  3. Torsions- und Verdrehschutz: Besonders bei Stiefeln ist dies entscheidend. Integrierte Gelenksysteme und Verstärkungen verhindern, dass der Fuss über sein natürliches Mass hinaus verdreht wird, was Bänderrisse und komplexe Frakturen verhindert.

Die 60-prozentige Reduzierung von Knochenbrüchen ist also kein Zufall, sondern das Ergebnis eines intelligenten Systems, bei dem abriebfeste Aussenmaterialien die Integrität der darunterliegenden, energieabsorbierenden Protektoren gewährleisten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Physik statt Meinung: Die Schutzwirkung basiert auf der Reduktion von Restkraft (kN), nicht auf dem Preis oder der Marke. Level 2 ist der Goldstandard.
  • Unsichtbare Gefahr: Materialermüdung durch UV-Strahlung und Alterung ist real. Halten Sie Austauschintervalle (Helm: 5-8 Jahre) kompromisslos ein.
  • Systemischer Ansatz: Die beste Ausrüstung ist nutzlos, wenn die Passform schlecht ist oder die Verbindung zwischen Jacke und Hose fehlt.

Wie stellen Sie Kopfstützen, Sitze und Gurte in 5 Minuten so ein, dass sie im Unfall maximalen Schutz bieten?

Die evidenzbasierte Denkweise zur Minimierung von Verletzungsrisiken endet nicht beim Absteigen vom Motorrad. Dieselben physikalischen Prinzipien des Energiemanagements gelten auch im Auto. Ein korrekt eingestellter Innenraum ist ein passives Sicherheitssystem, das im Ernstfall über das Ausmass von Verletzungen entscheidet. Besonders die korrekte Einstellung von Kopfstütze, Sitz und Gurt ist entscheidend, um das Risiko eines Schleudertraumas (HWS-Distorsion) bei einem Heckaufprall zu minimieren.

Ein Schleudertrauma entsteht durch die extreme und schnelle Relativbewegung zwischen Kopf und Rumpf. Die Kopfstütze ist kein Komfort-, sondern ein sicherheitskritisches Bauteil, das diese Bewegung begrenzen soll. Führen Sie diesen 5-Minuten-Check regelmässig durch, besonders nach einem Fahrerwechsel:

  1. Sitzhöhe und -abstand: Stellen Sie den Sitz so ein, dass Ihre Knie leicht angewinkelt sind, wenn Sie die Pedale voll durchtreten. Ihre Handgelenke sollten bei ausgestreckten Armen oben auf dem Lenkrad aufliegen können. Dies gewährleistet optimale Kontrolle und eine korrekte Distanz zum Airbag.
  2. Rückenlehne: Stellen Sie die Lehne möglichst aufrecht ein (ca. 100-110 Grad). Eine zu stark geneigte Position vergrössert den Abstand zur Kopfstütze und erhöht das Verletzungsrisiko.
  3. Kopfstütze – die kritische Einstellung: Die Oberkante der Kopfstütze sollte sich auf gleicher Höhe wie die Oberkante Ihres Kopfes befinden. Ist sie zu niedrig, wirkt sie im Falle eines Aufpralls als Hebel und kann die Verletzung verschlimmern.
  4. Abstand der Kopfstütze: Der Abstand zwischen Ihrem Hinterkopf und der Kopfstütze sollte so gering wie möglich sein, idealerweise nicht mehr als vier Zentimeter (ca. zwei Finger breit). Je geringer der Abstand, desto früher kann die Stütze den Kopf auffangen und die gefährliche Relativbewegung stoppen.
  5. Gurtverlauf: Der Schultergurt muss mittig über Ihr Schlüsselbein und die Schulter laufen, nicht am Hals oder vom Arm rutschend. Die meisten Fahrzeuge haben eine Höhenverstellung für den Gurt. Der Beckengurt muss eng über den Beckenknochen liegen, nicht über dem weichen Bauchraum.

Diese simplen Einstellungen sind Ihre erste Verteidigungslinie. Sie sorgen dafür, dass die im Fahrzeug verbauten passiven Sicherheitssysteme ihre Funktion optimal erfüllen können.

Welche Schutzsysteme im Ernstfall wirklich entscheidend sind und worauf Schweizer Familien beim Autokauf achten müssen

Beim Autokauf, besonders für Familien in der Schweiz, sollte der Fokus über Komfort und Design hinausgehen und eine nüchterne Bewertung der verbauten Schutzsysteme umfassen. Man unterscheidet zwischen passiven und aktiven Sicherheitssystemen. Passive Systeme (Airbags, Gurtstraffer, stabile Fahrgastzelle) mildern die Folgen eines bereits unvermeidbaren Unfalls. Aktive Systeme (ABS, ESP, Notbremsassistent) helfen, den Unfall von vornherein zu vermeiden.

Für eine Schweizer Familie sind bestimmte Systeme von besonderer Relevanz. Das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) ist unverzichtbar. Es verhindert das Ausbrechen des Fahrzeugs auf nassen oder vereisten Strassen, wie sie im Herbst und Winter häufig vorkommen, und ist besonders auf kurvigen Passstrassen ein Lebensretter. Ein moderner Notbremsassistent, der auch auf Fussgänger und Radfahrer reagiert, ist im dichten Stadtverkehr und in Wohngebieten von unschätzbarem Wert. Beim Kauf eines Familienfahrzeugs sollten Sie zudem auf die Anzahl und Art der Airbags achten. Neben Front- und Seitenairbags bieten Kopfairbags, die sich wie ein Vorhang entlang der Seitenfenster entfalten, einen entscheidenden Schutz für alle Insassen, auch auf den Rücksitzen.

Ein oft übersehener Aspekt ist die Kindersicherheit. Achten Sie auf leicht zugängliche ISOFIX-Verankerungspunkte auf den Rücksitzen. Diese ermöglichen eine feste und korrekte Montage von Kindersitzen, was das Verletzungsrisiko für die kleinsten Passagiere drastisch reduziert. Prüfen Sie zudem die Ergebnisse im Euro-NCAP-Crashtest, insbesondere in den Kategorien „Insassenschutz für Erwachsene“ und „Insassenschutz für Kinder“. Eine Fünf-Sterne-Bewertung sollte heute der Standard sein.

Letztlich geht es darum, einen ganzheitlichen Sicherheitsansatz zu verfolgen. Die physischen Gesetze eines Aufpralls sind universell, ob auf zwei oder vier Rädern. Eine bewusste Auseinandersetzung mit der Technik, die uns schützt, ist der intelligenteste Weg, das Risiko für sich und seine Familie zu minimieren.

Beginnen Sie noch heute damit, Sicherheit als ein aktives, wissensbasiertes System zu betrachten. Überprüfen Sie Ihre Ausrüstung, justieren Sie Ihren Sitz und treffen Sie Ihre nächste Kaufentscheidung auf der Basis von Fakten, nicht von Emotionen.

Geschrieben von Marc Kälin, Marc Kälin ist Motorrad-Sicherheitstrainer und zertifizierter Fahrinstruktor mit 12 Jahren Erfahrung in der Ausbildung von Zweiradfahrern. Er betreibt eine Motorradfahrschule in der Zentralschweiz und ist spezialisiert auf Fahrsicherheitstrainings, Schutzausrüstungs-Beratung und urbane Mobilitätsstrategien.